Der Wollmützenmann Matthias Stührwoldt las im Selenter Hof

Matthias bei der LesungAm 9. 2. 02 veranstaltete der Selenter Snackfatt eine gelungene Autorenlesung im Selenter Hof. Eingeladen war Biobauer Matthias Stührwoldt aus Stolpe, der aus seinen beiden Büchern Verliebt Trecker fahren und Der Wollmützenmann vorlas, nachdem er denn da war. Er verspätete sich leicht, da er die Entfernung zwischen Stolpe und Selent unterschätzt hatte: “Früher ging das schneller, damals brauchte ich meiner Erinnerung nach nur 30 Minuten”, meinte er, denn er hat eine Zeit nördlich des Selenter Sees gelernt. Aber die neue Verkehrsführung in Preetz…

Am Anfang wurden die Gesichter lang, als Matthias auf Hochdeutsch begann. “Wi wöllt platt hörn”, ein Ruf aus dem Publikum. Rund 80 bis 90 Zuhörer hatten sich eingefunden, viele bekannte, aber auch viele unbekannte Gesichter. “Jou, dat geit los, aber platt is nich mien Modersprak. Ik hev dat ers later lernt…”. Und wieso er platt schnaken lernen musste, das berichtete er dann. Dies war die einzige traurige Geschichte des Abends: Sein Grossvater wurde im Alter immer tütteliger, und irgendwann konnte oder wollte er nur noch “platt versteihn”. So kam das dann.

Später wechselte Matthias ganz ins Hochdeutsche, aber dies bemerkte niemand mehr, so gebannt lauschten alle seinen humorvollen, öfters derben, aber auch leisen und sensiblen Geschichten, seinen Beobachtungen vom Leben auf dem Land, dem Miteinander von Menschen & Tieren. Angefangen von der Gefühlswelt des Jugendlichen, der das sommerliche Baden in der Clique nachmittags abbrechen muss, um seinen Eltern beim Melken zu helfen. Von der Unmöglichkeit, verliebt Trecker zu fahren — mit den Gedanken bei der Liebsten reisst der Kreiselheuer so manches mit sich, eine Ackerwalze überwindet nicht jedes Hindernis. Dann die Erlebnisse mit seinen unternehmungslustigen Kühen, Starken & Kälbern, die gerne Ausflüge unternehmen, die dann mit Tierarzt mit Betäubungsgewehr, Helfern und viel Glück irgendwann ohne grösseren Schaden beendet wurden. Vieles ist so lebendig und handfest geschildert, dass unser Gelächter nicht enden wollte.
Und dann die Geschichte, die das Leben schrieb — noch nicht veröffentlicht — von dem Bagger, der im Depenauer Moor versank (die KN berichtete irgendwann), direkt neben einer seiner Pachtflächen. Früher wurden die Gräben des Moores von einer Preetzer Firma ohne Probleme ausgebaggert; nun war der Auftrag an einen spottbilligen Auftragnehmer aus Hamburg vergeben worden. Der Bagger liegt inzwischen in 16 m Tiefe, nichts konnte ihn mehr retten. Dafür spielten die Pioniere mit ihren Bergepanzern WIlde Sau auf den benachbarten Flächen, und über einige Tage war das Depenauer Moor ein ausgewiesenes Ausflugsziel.

Für mich war die Veranstaltung eine kleine Reise in die Vergangenheit. Nach meiner Schulzeit wollte ich Landwirtschaft studieren und arbeitete einige Zeit auf landwirtschaftlichen Betrieben, ehe mich das Studium nach Kiel verschlug. Damals habe ich erste Erfahrungen gesammelt mit Kreiselheuern und anderem sperrigen Anbaugerät, mit anfangs zu engen Hofeinfahrten (mein zweiter Bauer tröstete mich, nachdem ich an dem einen Tag eine Ecke des Stalls mitnahm, anderentags durch das Andötzen der anderen Ecke…), dem Kühesuchen hoch zu Ross etc. etc.

Matthias kenne ich seit meinen Studientagen. Damals half ich bei der Gründung des schleswig-holsteinische Landesverbandes der “Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)”, und rief zusammen mit einem Kollegen den Arbeitskreis Plön ins Leben, in dem Matthias, damals noch Lehrling, mitarbeitete. So schliessen sich die Kreise… Und gestern erzählte er mir, dass die Bauernstimme, die monatliche Zeitung der AbL, dieses Jahr 30-jähriges Jubiläum feiert, und dann noch an so einem geschichtsträchtigen Ort, im Wendland nämlich. Da will ich mit hin, komme was wolle, zu einer grösseren Reise in meine Vergangenheit.

Matthias Stührwoldts Bücher können direkt beim AbL-Verlag bestellt werden: Edition Bauernstimme.

P.S.: Ich merk grade, dass ich auch Geschichten von ihm angerissen habe, die aus den Büchern stammen, die er aber nicht vortrug. Nur zur Klarstellung, nicht dass jemand an sich zweifelt, der gestern auch auf der Veranstaltung war.

Dieser Beitrag wurde geschrieben am 10. Februar 2006 um 15:00:48 und abgelegt unter Selent, Freunde. Die Kommentare mit diesem RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können ein Kommentar schreiben oder ein Trackback hinterlegen.

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