Armes Deutschland 2: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«

16. Mai 2006, 8:36 PM (Frank Hunck) ♥ Dit und Dat, Gesellschaft, Politik · Translation: en fr

Diesen Satz hat unser Arbeitsminister Müntefering vor kurzem in einer Fraktionssitzung gebraucht [via ZEIT]. Dort stritt die SPD-Fraktion über Wohl und Wehe von Hartz-IV. Über die explodierenden Kosten der Arbeitsmarktreform; über die vielzählige Instrumente, von denen fast nur noch die 1€-Jobs übergeblieben sind. Und diese ermöglichen seit ihrer Einführung einen Niedriglohn-Sektor, wie es ihn bislang in Deutschland nicht gab (Beispiel 1, viele Beispiele).

Nun soll die Umsetzung durch das Hartz-IV-Optimierungsgesetz (neudeutsch: „Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende“) noch optimaler gemacht werden.

Seine Parteifreunde versuchten anscheinend, Öl auf die Wogen zu kippen. Aber dieser Ausspruch bei derzeit 4,7 Millionen Arbeitslosen?

Schon wieder eine Partei weniger. Und dann noch die Sozialdemokraten. Aber gabs da nicht mal so einen Spruch, wer hat uns verraten… aber Spass beiseite:

Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Heil in der Symptomkuriererei gesucht wird. Den Menschen, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind, helfen diese Maßnahmen wenig.

Götz Werner, Inhaber der Drogeriekette dm (in einem Stern-Interview) hat eine andere Meinung:

STERN: Es ist einfach so: Man ist in der Gesellschaft nur etwas wert, wenn man arbeitet, wenn man Werte schafft. Das schafft auch Selbstwert.
Werner: Ja – denn wir leben immer noch nach dem alten, nicht mehr zeitgemäßen Gebot: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!« Da waren die alten Griechen schon viel weiter. Bei ihnen war die Muße das Ziel, nicht die Arbeit. Ich kann also das Gerede um die Schaffung neuer Arbeitsplätze kaum mehr hören. [via: kulturblog]

Er fordert ein bedingungsloses (!) Grundeinkommen, ein Bürgergeld vom 1500 €. Als ich seine Thesen zum ersten mal las, war ich hin und weg: welch ein radikaler Ansatz. Finanzieren würde er es durch die Anhebung der Mehrwertsteuer auf ca. 50% bei gleichzeitiger Abschaffung aller anderen Steuern.

und weiter:

Stern: Sozial ist, was Arbeit schafft, rufen die Politiker!
Werner: Die Politiker sind vernagelt. Von ihnen sind kaum Ideen zu erwarten, die uns weiterbringen. Sie sind narkotisiert vom Vollbeschäftigungswahn. Wir müssen diese neue Wirklichkeit akzeptieren: Die Zeiten der Vollbeschäftigung sind endgültig vorbei. Vollbeschäftigung ist ein Mythos. Eine Lüge.

Und das glaube ich auch. Obwohl — es gibt viel zu tun im sozialen, kulturellen Bereich, aber, dafür gibts kein Geld…

Technorati Tags: Politik, Hartz-IV, Bürgergeld
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4 Kommentare abgegeben zu “Armes Deutschland 2: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«”

  1. fettisch schrieb:

    Beim DGB-Bundeskongress zeigten Merkel und Müntefering sich einig: Ein Mindestlohn von 3,50 Euro sei allemal genug für die notorischen Hungerleider im Lande.
    Weitere Infos und Poster (bitte verbreiten wenn möglich!) bei Fettisch.de!
    Merkel & Müntefering: 3,50 reicht für’s Pack!

  2. Frank Hunck schrieb:

    Fettisch, Fettisch, wo habe ich das gelesen? Ach ja, Robert Basic. Hab mal nach obigem Text gegoogelt und den identischen auf einigen Blogs gefunden.

    Also — Link entfernt und Blacklist erweitert…

  3. Andreas Skowronek schrieb:

    Das ist kein Spam, sondern direkt zu diesem Posting: http://37sechsblog.de/?p=688

    Nicht, dass der DM-Chef noch als der Heiland des Sozialstaats neuer Prägung gefeiert wird.

  4. Frank Hunck schrieb:

    Aber von ungewohnter Seite ein ungewohnter Ansatz. Es ist natürlich einfach, immer Neoliberalismus, pfui zu rufen, aber damit bekommt mensch die Kuh auch nicht vom Eis. Unter den derzeit gegebenen Umständen bleibt es bei der dreiklassigen Schichtung Arbeitgeber – Arbeitnehmer und Arbeitsloser, wobei der Trend von oben nach unten sich verstärkt.

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