»GEOTag der Artenvielfalt« in Fresendorf

15. Jun 2008, 7:13 PM (Frank Hunck) ♥ Freunde · Translation: en fr

Von GEO dokumentierte Kartierung einer Weide in Fresendorf

Die Zeitschrift GEO veranstaltete dieses Jahr den 10. Tag der Artenvielfalt (14. Juni 2008), an dem an vielen Orten in Deutschland sich Fachleute und Laien treffen, um innerhalb von 24 Stunden in einem selbst festgelegten Gebiet möglichst viele Tier- und Pflanzenarten zu entdecken. In den vergangenen Jahren wurden bei dieser Aktion öfters schon längst verschollen geglaubte Arten wieder entdeckt.

In diesem Jahr hat die VFD (Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer Deutschland) ihre Mitglieder dazu aufgerufen, an der Aktion teilzunehmen, denn die Pferdehaltung kann auf extensiv genutzten Weiden dazu beitragen, selten gewordene Wiesen- und Weidenarten zu erhalten. Die VFD ist die zweitgrösste Reitervereinigung Deutschlands, der Fachverband für Gelände- und Wanderreiter und -fahrer, der sich auch für ökologische Belange rund um die Pferdehaltung stark macht. Hier in Schleswig-Holstein wurde der Tag der Artenvielfalt auf dem Resthof von Florian Liedl und seiner Frau in Fresendorf durchgeführt, die gute Freunde von mir sind.

Mit von der Partie waren – neben einem GEO-Reporterteam (Kirsten Milhahn / Solvin Zankl), das die Kartierung dokumentierte – Martin Lemke, ein Spinnenkundler aus Lübeck, drei freiberufliche Biologen aus Kiel und Umgebung, Klaus Voss (promovierter Botaniker) und Olaf Grell (Zoologe) sowie Renate Vanselow, eine Expertin in der Ökologie der Pferdehaltung und promovierte Botanikerin. Florian Liedl als Landschaftsarchitekt kennt sich auf seinen Flächen gut aus, seine Frau, Barbara Lammert, hat sich die Artenzusammenstellung auf den neu angesäten Weiden von Renate Vanselow vor zwei Jahren zusammenstellen lassen.

Der grosse Lauschangriff am Streetzer Berg - ein Eichen-Ohr von Thomas JaspertThomas Jaspert, Biologe und Bildhauer, Schöpfer des »beschissensten« Kunstwerkes vor Ort, einem rund vier Meter hohen Eichen-Ohr, das als bevorzugter Ruheplatz und Jagdansitz von Vögeln genutzt wird, widmete sich eben diesen. Der bald einsetzende Regen vertrieb sie, die Vögel, leider :( Des weiteren waren noch einige Mitglieder des VFD dabei, selbst Pferdehalterinnen und sehr interessiert an dem Thema Qualität von Wiesen und Weiden.1

Ab 13 Uhr trudelten die Beteiligten ein, nach einer Stärkung mit Kaffee und Kuchen begann die Kartierung – im Gänsemarsch durch die hoch stehende Weide, die in Kürze für Silage bzw. Heulage gemäht werden soll. Schwerpunktmässig wurde der Pflanzenbewuchs aufgenommen, die Ergebnisse der Spinnenuntersuchung bekommen wir später; vereinzelt verwies der eine oder andere Biologe auf einen Vogel, der auf der Roten Liste stehen (leider keine Seltenheit, die meisten unserer Vögel befinden sich drauf).

Kartierliste FresendorfEndergebnis war der Nachweis von mindestens 46 Kräutern und Sauergräsern sowie mind. 18 Süßgräser auf den Koppeln. Der grösste Artenreichtum fand sich auf der Hauskoppel, einer bestehenden Weide, die sich durch Beweidung mit Schafen zu einer artenreichen Magerweide mit geschlossenem Bestand entwickelt hat. Klaus Voss, der landesweit für die Stiftung Naturschutz Grünländereien begutachtet, benutzte zur Aufnahme seine Standardliste, auf der am Schluss über 20 Kennarten angekreuzt waren. Er zeigte sich erstaunt über den Artenumfang – mit so einem guten Ergebnis habe er nicht gerechnet, meinte er.

Insgesamt werden von GEO-Teams bundesweit zehn GEO-Tage der Artenvielfalt begleitet, ich bin mal gespannt, was über die Aktion in Fresendorf geschrieben wird. Mein Bericht umfasst nur einen kleinen Teil des gestrigen Tages, ich war mal wieder faul und hab meinen Schreibblock im Wagen gelassen – ich schaffe es immer noch nicht richtig, im Gelände sinnvoll mitzuschreiben (meist halte ich am Abend eine klitschnasse Kladde in der Hand und kann meine Aufzeichnungen dann nur noch mühevoll entziffern). Die genauen Ergebnisse werden übrigens bald auf der Aktionssite von GEO dokumentiert sein…
Ergänzung 2.7.08: Artenliste bei GEO umfasst 75 Arten.

Photos und Erkenntnisse am Rande

Thema Giftpflanzen:

Samenstände des Duwock, des Sumpf-Schachtelhalms

Hier sehen wir Samenstände des Sumpf-Schachtelhalms, der einzigen giftigen Pflanze, die wir auf den Weiden fanden. Es traten einige Exemplare in der Nähe eines Grabens am Rande der Hausweide auf. Wohl giftig, mindert ein geringes Aufkommen den Wert einer Weide nicht, weil Tiere ihn über längere Zeit in grossen Mengen aufnehmen müssten, um sich daran zu vergiften.

Renate Vanselow erläuterte in einem kleinen Exkurs, daß eine gebräuchliche Maßnahme, um Herr des unerwünschten Krauts zu werden – Grundwasserabsenkung, sprich Drainage der Fläche – sich ins Gegenteil verkehren würde. Denn der Duwock (so der landläufige Name des Sumpf-Schachtelhalms) wurzelt sehr tief, von zwei bis hin zu fünf Metern. Er ist also von der Grundwasserabsenkung nicht betroffen, wohl aber die anderen Wiesenpflanzen. Endeffekt – er breitet sich aus…

Giftige Pflanzen, das war ein oft angesprochenes Thema. Sei es die Verbreitung des Jakobs-Kreuzkrautes, das in den vergangenen Jahren als Weiden- und Wiesen-Giftpflanze immer mehr in die Schlagzeilen kam, bis hin zu Gräsern wie Wiesenschwingel und Weidelgras, die uns eher als wertvolle Grünlandpflanzen bekannt sind.

Anscheinend hat es sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass es von diesen Gräsern Varietäten gibt, die Endophyten enthalten können, Pilze, die innerhalb der Pflanze leben. Es handelt sich dabei nicht um Parasiten (Schädlinge), sondern die Pilze haben eine symbiontische Beziehung zur Wirtspflanze.

Sie bilden unter anderem bei extremen Klimasituationen (heisse Tage, kalte Nächte zum Beispiel, Klimawandel als Auslöser?) giftige Alkaloide, verwandt mit denen des Mutterkorns auf dem Getreide. Durch diese Stoffe werden die Wirtspflanzen resistenter gegenüber Schadinsekten, leider aber auch giftig für Weidetiere. Es soll die ersten Todesfälle bei Weidetieren durch diese Grasvarietäten hier in Deutschland gegeben haben, in den USA sind mehr Fälle untersucht. Wie ich Frau Vanselow verstanden habe, werden vergleichbare Forschungsergebnisse in Deutschland eher zurück gehalten. Wes Wunder – es handelt sich um die wichtigsten Grasarten für das Wirtschaftsgrünland, mit unabsehbaren Folgen für die Futtermittel- und Saatgutindustrie :(

Wohl gemerkt, es handelt sich um Varietäten der Gräser, nicht um Grasarten. Solche Varietäten können sich spontan lokal ausbilden, optisch sind sie nicht von nicht infizierten Pflanzen unterscheidbar, sondern nur durch Laboranalysen. Und hier hapert es in Deutschland anscheinend gewaltig. Gehören solche Untersuchungen in den USA zum Standardrepertoir landwirtschaftlicher Labors, findet sich hier in Deutschland nach der Aussage von Renate Vanselow kein Labor bereit, eine derartige Untersuchung durchzuführen. Seltsam, das…

Thema Fotografie:

Blütenstände des schmalblättrigen Wegerichs vor GEO-Fotograf

Profi bei der ArbeitDer Profi Solvin Zankl bei der Arbeit. Um die Kartierer herum, vornedraus, hinterher. Dauernd im Einsatz, keine Zeit für einen Kaffee. Er sei auf Arbeit, nicht zum Vergnügen hier… Welche Pflanze sei die aufgefundene Rote-Listen-Art? Goldhafer… ein unscheinbares, kleines Gras, das in Schleswig-Holstein selten ist. Kein Wunder, seine Hauptverbreitung setzt in Höhenlagen ab fünfhundert Metern ein, es kann auch alpin auftreten. Da ist der Streetzer Berg noch weit davon entfernt, darum darf es auch selten bei uns sein.

Wie nimmt ein Profi jetzt so ein Gräslein auf? Stillehalten ist nicht, es weht ein leichter Wind, und die Halme schwanken vor der Linse, dass es einem schlecht davon werden könnte. Ich dachte, mit Blitzen dürfte es zu schaffen sein. So war es denn auch, aber mit deutlich höherem Aufwand, als ich je vermutet hätte.

Es wurden drei Rispen in unterschiedlichem Blühstadium gepflückt (ich sags ja immer, Wissenschaft und Artenschwund!) und dann, ja dann – verschwand der Fotograf erst einmal. Die Ausrüstung musste aus dem Wagen geholt werden. Die Stengel wurden nun in eine Schale gesteckt, Slave-Blitze rechts und links vom Objekt auf Ministativen in den Boden gerammt, ein weisser Hintergrund montiert, Kamerabody mit Makro und Frontblitz versehen, schnell noch die Isomatte aus dem Wagen geholt und ausgebreitet. Nun stand der Fotosession nichts mehr im Wege. Und die dauerte, sage ich Euch! Wir anderen saßen längst gemütlich drin im Warmen, bei Erdbeeren, Vanilleeis und Schlagsahne, als es draußen noch unermüdlich blitzte…

Thema Tiere:

teich-fresendorfModerlieschenEin paar Tierbilder gibt es auch noch ;) wenn es auch von häufigeren Arten.

Zum einen ein Moderlieschen, dass seinen Weg mit dutzenden anderen aus einem Kieler Gartenteich in Florians Teichneuanlage fand. Er hatte das Glück, dass der Baggerfahrer, der den Teich ausheben sollte, gleich nach einem Meter auf eine Tonlinse stiess. So war das Abdichten des Teichgrundes durch eigenes Material kein Problem. Rechts der Teich – so was kann nicht jeder in seinem Garten machen, den Landschaftsplaner hats aber gejuckt – Schwimmteich mit Steg und Ruderboot, den Wassernachschub liefern die Dächer des Hofes.

Abendstimmung bei den Pferden

Und zu guter Letzt die beiden Tiere, die ja den Anlass dafür gaben, dass die Kartierung durchgeführt wurde, auf den artenreichen Pferdeweiden. Benny, der Schimmel, und Lotti, die Hafi-Stute. OK, wie immer – Benny hat sich unverschämt in den Vordergrund gedrängt…

edit 17.6.08, 11.47: Die gröbsten Fehler sind ausgemerzt; danke, Renate!
edit2 19.6.08, 15.03: Barbara machte mich auf die Namen der GEO-Leute, des Spinnenkundlers und deren Websites aufmerksam. Work in progress, eine Website hat schon Vorteile gegenüber Printmedien ;-)


  1. Für mich war dieser Termin eine Herausforderung, der ich nicht mehr so ganz gewachsen war – ich habe einmal Landwirtschaft studiert, Schwerpunkt waren während meiner Diplomarbeit landschaftsökologische und vegetationskundliche Fragen. Damals beherrschte ich die Bestimmung der Gräser und Kräuter aus dem »ff« – zu meiner Schande muss ich gestehen, dass von der früheren Sicherheit wenig übergeblieben ist. Aber im Laufe des Nachmittags kam doch der eine oder andere Zusammenhang wieder zum Vorschein ;-)[zurück ↩]
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1 Kommentar abgegeben zu “»GEOTag der Artenvielfalt« in Fresendorf”

  1. Linda Lammert schrieb:

    Hallo Barbara!
    Ich war einfach so mal im Internet und hab bei www.google.de ›Barbara Lammert‹ eingegeben und dies hier gefunden, du und Flori seit schon berühmt!:-)

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